telepolis-user
Jörg Djuren hat zum wirklich grottigen tp-Artikel "
Feminismusdämmerung - jetzt schlagen die Männer zurück" von Rüdiger Suchsland
eine wunderbare Replik verfaßt:
Obwohl Rüdiger Suchsland in der Sache zum Teil zuzustimmen ist, reproduziert er doch ein ziemlich dumpf populistisches Feminismusbashing.
Alice Schwarzers Positionen waren schon immer eine Minderheitenposition innerhalb der feministischen Bewegung im deutschsprachigen Raum. Bereits in den 70ern wurde sie in der Schwarzen Botin als autoritäre karrieristische rechte Populistin kritisiert, die den Feminismus für ihre eigene Karriere instrumentalisiert. Die Schwarze Botin war eine radikale feministische Zeitschrift in der praktisch die gesamte intelektuelle Avantgarde des deutschsprachigen Feminismus publizierte (Elfriede Jelinek, Gabriele Goettle, Elisabeth Kmöllinger, Gerburg Treusch Dieter, u.v.a.). Ein Großteil deutschsprachiger feministischer Theoretikerinnen, Schriftstellerinnen und Publizistinnen findet sich hier mit Texten. Die Positionen sind klar radikal gegen jeglichen Puritanismus und gegen jedwedes moralinsaure Geseiere.
Hier finden sich auch früh Auseindersetzungen mit poststrukturalistischen Theorien (lange vor Judith Butler) und Auseindersetzungen mit Sexualität, die klar einfordern, dass auch Frau 'aggressiv' und 'fordernd' sein darf und das es nicht um einen Rückzug ins 50er Jahre Blümchenidyll geht. Die Zeitschrift existierte bis Mitte der 80er. Daneben gibt s noch eine ganze Menge ander Richtungen im Feminismus, die alle konträr zu Schwarzer usw. standen und stehen (z.B. Filmemacherinnen wie Monika Treut mit Ihren Filmen über abweichen Sexualitäten).
Alice Schwarzer wurde auch immere wieder massiv kritisiert z.B. für Ihre absurde Stellungnahme für Peter Singer als 'Tierfreund Singer' usw..
Das heute ausgerechnet die ignoranteste aller Feministinnen und populistisch rechte Feministin Alice Schwarzer als 'der Feminismus' gilt ist gegenüber diesen Realitäten eine bewußte Ignoranz und kein Zufall. Es ist ein typisches Moment des Umgangs rechter populistischer Medien (das gilt für die Bildzeitung aber auch für große Teile der TV-Berichterstattung) mit linken Bewegungen, sich innerhalb dieser Bewegungen populistische autoritätsfixierte Führungsfiguren herauszupicken und diese gezielt in ihrer Bedeutung aufzubauschen - Alice Schwarzer ist hier nur ein Beispiel unter mehreren -. Die Komplexität der Bewegungen und komplexe und intelligentere Theorieansätze werden dabei vollständig ausgeblendet und unter den Teppich gekehrt.
Alice Schwarzer hat mit feministischer Theorie noch nie viel am Hut gehabt und das, was sie sagt, hat mit feministischen Positionen insbesondere heute nur noch marginal etwas zu tun. Insofern ist es völliger Schwachsinn auf Grund des Verhaltens von Alice Schwarzer 'den Feminismus' zu kritisieren. Das ist vergleichbar mit jemanden, die/der 'den Marxismus' auf Grund der Praxis Stalins kritisiert, so etwas ist Unsinn, primär an Macht und Karriere interessierte Menschen mit autoritären Einstellungen finden sich leider in allen Bewegungen (selbst im Anarchismus) und leider gewinnen sie populistisch auch manchmal Zulauf oder Einfluss.
Alice Schwarzer steht für eine bestimmte reformistische Linie im Feminismus, die zu Recht kritisiert werden muss, aber DEN FEMINISMUS gibt es nicht, und Schwarzer ist vor allem deshalb so bekannt, weil reaktionäre Medien sie bekannt gemacht haben (Ein Schelm der Böses dabei denkt). Die Art und Weise in der z.B. die Bildzeitung u.a., erst Alice Schwarzer als Ikone des Feminismus installiert haben gegen den Widerstand der meisten Feministinnen, um dann mit ihr zusammen bequem die Reste der feministischen Bewegung abschlachten zu können, ist in erster Linie ein klassischer Schachzug reaktionärer Diskurspolitik gegen Bewegungen im Niedergang.
Das Alice Schwarzer derartig die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, liegt auch daran, dass eine feministische Bewegung seit ca. 2 Jahrzehnten nur noch marginal existiert. Insofern kann von einem Sieg der Feministinnen auch keinerlei Rede sein. Im Gegenteil all die Probleme die Rüdiger Suchsland am Beginn sein Textes benennt sind nach wie vor real, trotz aller Fortschritte. Und dazu kommt noch ein Backlash, der sich z.B. in der Infragestellung des Rechtes auf Schwangerschaftsabbruch äußert, transportiert via us-amerikanischer Serien aus evangelikaler Sicht bis ins deutsche Wohnzimmer.
Deutlich wird dieser sexistische Backlash ja auch in vielen aggressiven Kommentaren zum Artikel.
QUELLE